Zuwenig Lehrpersonen: Jetzt müssen die strukturellen Fehler im Berufsauftrag rasch behoben werden

Heute hat die Zürcher Bildungsdirektion den Evaluationsbericht zum Berufsauftrag für die Volksschullehrpersonen publiziert. Dieser bestätigt, dass die hohe Überzeit der Lehrpersonen ein grundsätzliches Problem darstellt. Die Bildungsdirektion will nun Lösungen erarbeiten. Die Lehrpersonenverbände ZLV, SekZH und VKZ befürchten, dass sich dies über Jahre hinziehen wird. Sie fordern, die strukturellen Fehler des Berufsauftrags mit hoher Dringlichkeit zu korrigieren und so die Qualität der Volksschule langfristig zu sichern. Zentral sind insbesondere mehr zeitliche Ressourcen für die Lehrpersonen – gerade auch für die Klassenlehrerinnen und -lehrer. Dies wäre gleichzeitig ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den immer gravierenderen Lehrpersonenmangel.

Die Evaluationsbericht zeigt die Schwächen des Berufsauftrags sehr deutlich auf. Der gravierendste Punkt für ZLV, SekZH und VKZ: Der Berufsauftrag verfehlt den angestrebten Schutz vor zeitlicher Überbelastung der Lehrpersonen klar. Um die gravierende Überzeitproblematik der Zürcher Lehrpersonen zu lösen und gleichzeitig dem Lehrpersonenmangel entgegenzuwirken, braucht es möglichst rasch nachhaltige strukturelle Massnahmen. ZLV, SekZH und VKZ fordern deshalb im Rahmen der Überarbeitung des Berufsauftrags von der Politik folgende Verbesserungen:

  • Höherer Lektionenfaktor* für eine Jahreslektion: 62 Stunden pro Lektion (bisher 58)
  • Anrechnung Funktion Klassenlehrperson: 250 Stunden (bisher 100)
  • Kindergartenstufe: 100 Prozent Arbeit = 100 Prozent Lohn (Anrechnung der während des freien Spiels in den Pausen notwendigen Betreuung der Kinder als Arbeitszeit)

Im Berufsauftrag gilt zur Berechnung der Arbeitszeit für den Unterricht bisher ein Lektionenfaktor von 58 Stunden. Für die Funktion als Klassenlehrperson werden 100 Stunden angerechnet. Diese Zahlen wurden nicht aufgrund der pädagogischen Qualitätsansprüche oder des tatsächlichen zeitlichen Aufwands festgelegt, sondern allein budgetorientiert – die Volksschule durfte durch die Einführung des Berufsauftrags 2017 nicht teurer werden.

 

Struktureller Fehler im Berufsauftrag

Vom Evaluationsbericht bestätigte Arbeitszeituntersuchungen belegen den strukturellen Initialfehler im Berufsauftrag. Hochgerechnet auf ein Jahr und ein Vollpensum fallen im Durchschnitt bei jeder Lehrerin und jedem Lehrer rund 8 Wochen unbezahlte Überzeit an (rund 340 Stunden Gratisarbeit). Oder anders gesagt: Die den Lehrpersonen zur Verfügung gestellte Arbeitszeit reicht nicht aus, um die ihnen gestellten Aufgaben in der geforderten Qualität zu bewältigen.

Als Reaktion auf diese Überbelastung reduzierten und reduzieren viele Lehrpersonen ihr Arbeitspensum. Kindergartenlehrpersonen hingegen wurden im Berufsauftrag zu strukturellen Teilzeitangestellten, da die sogenannten begleiteten Pausen nicht mehr im Pensum abgebildet sind. Das Resultat insgesamt: 2019 arbeiteten nur noch 20% der Lehrerinnen und Lehrer in einem Vollzeitpensum. Dieser Effekt verstärkt gleichzeitig den Lehrpersonenmangel.

 

Kampf gegen Lehrpersonenmangel

Bereits jetzt hat es für die Zürcher Schulen viel zu wenig Lehrpersonen. Stand heute sind auf der offiziellen Stellenbörse für Lehrpersonen des Kantons Zürich rund 800 Stelleninserate für Dauerstellen und rund 200 Inserate für Stellvertretungen publiziert – so viele wie noch nie zuvor.

In den nächsten Jahren wird sich der Lehrpersonenmangel weiter verschärfen, weil die Generation der Baby-Boomer Lehrerinnen und Lehrer das Pensionsalter erreicht. Gleichzeitig prognostizieren die Statistiken für den Kanton Zürich bis gegen 2030 Rekorde bei den Schülerzahlen. Es ist von über 1000 zusätzlichen Klassen auszugehen, für die es Lehrpersonen braucht. Diese Lücke kann nur geschlossen werden, wenn viele bereits im Beruf stehende Lehrpersonen ihre Pensen erhöhen – und dafür muss vorgängig die Überzeitproblematik behoben sein.

Bei der nun anstehenden Überarbeitung des Berufsauftrags haben es Bildungsdirektion, Regierung und Parlament in der Hand, die strukturellen Fehler konsequent zu beheben. Dies muss sehr rasch geschehen – denn es braucht Zeit, bis die letztlich beschlossenen Massnahmen ihre Wirkung gegen den Lehrpersonenmangel entfalten.

 

Christian Hugi, Präsident ZLV Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband, sagt: «Ohne genügende zeitliche Ressourcen für die Lehrpersonen ist die Qualität der Zürcher Volksschule gefährdet. Jetzt liegt es an der Politik, mit hoher Dringlichkeit diese zeitlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.»

 

Dani Kachel, Präsident Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich (Mitgliederorganisation des ZLV), sagt: «Jedes Jahr leistet eine Zürcher Lehrperson im Schnitt rund acht Wochen Überzeit. Die uns zur Verfügung gestellte Arbeitszeit reicht nicht aus, um unsere Aufgaben in der geforderten Qualität zu bewältigen.»

 

Ursina Zindel, Co-Präsidentin Verband Kindergarten Zürich (Mitgliederorganisation des ZLV), sagt: «Der Lehrpersonenmangel ist gravierend und wirkt sich negativ auf die Qualität der Schule aus. Besonders betroffen ist der Kindergarten – und damit jene Stufe, in der die Basis für die Schullaufbahn gelegt wird.»

 

*Lektionenfaktor: Pro Lektion im Stundenplan angerechnete Jahresarbeitszeit; Beispiel: Lektionenfaktor 58 = Pro Stunde im Stundenplan werden der Lehrperson 58 Stunden auf die Jahresarbeitszeit angerechnet.

 

Weitere Infos zum Berufsauftrag

 

Datum

25.03.2022