Ein Schlag ins Gesicht aller Lehrpersonen

Der Zürcher Regierungsrat hat heute angekündigt, welche Anpassungen er beim Berufsauftrag für die Zürcher Lehrpersonen vornehmen will. Die Massnahmenvorschläge sind für den Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband ZLV mehr als enttäuschend. Sie sind ein Schlag ins Gesicht aller Lehrpersonen, die sich für ihren Beruf aufopfern und regelmässig Überzeit leisten. Die Regierung nimmt die berechtigten Anliegen der Lehrpersonen nicht ernst und riskiert damit die Qualität der Volksschule. Dem Kampf gegen den Lehrpersonenmangel erweist sie einen Bärendienst. Der ZLV wird sich im parlamentarischen Prozess dafür engagieren, dass doch noch ein wirksames Gesamtpaket verabschiedet wird.

Medienmitteilung vom 9. Juli 2024 - Berufsauftrag für die Lehrpersonen der Zürcher Volksschule

Eigentlich sind sich alle einig: der 2017 eingeführte Berufsauftrag hat strukturelle Fehler. Er führt dazu, dass die Lehrpersonen der Zürcher Volksschule regelmässig Überzeit leisten. Wer ein volles Pensum leisten will und die Schülerinnen und Schüler so betreuen will, wie sie es verdienen, bezahlt dies mit bis zu 8 Wochenunbezahlter Arbeit. Viele Lehrpersonen haben deshalb ihre Pensen reduziert – einer der Gründe für den gravierenden Lehrpersonenmangel.

Der ZLV hat deshalb von der Regierung griffige Massnahmen erwartet, um den Berufsauftrag zu verbessern. In der Medienmitteilung löst er dies nur gerade im Titel ein, wo er von «besseren Bedingungen für Lehrpersonen und Schulleitungen» schreibt. Für den ZLV ein Hohn: die nachfolgenden Massnahmenvorschläge kommen nicht einmal in die Nähe der minimalen Erwartungen der Lehrpersonen.

  • Die Arbeitszeitpauschale der Klassenlehrpersonen soll von 100 auf 120 Stunden erhöht werden, und das auch noch schrittweise. Der ZLV hatte für die absolut zentrale Funktion der Klassenlehrpersonen neu eine Pauschale von 250 Stunden gefordert – diese Zeit braucht es, um den individuellen Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, Elternkontakte wahrzunehmen und all die vielen Aufgaben in der Klasse abzudecken, welche Politik und Gesellschaft der Schule abverlangen. Eine im Kantonsrat nur mit Stichentscheid des Präsidenten abgelehnte Motion hatte 200 Stunden gefordert. Damit hätte der ZLV leben können. Der Vorschlag von 120 Stunden dagegen ist klar ungenügend.
     
  • Stunden, die pro Wochenlektion der Gesamtarbeitszeit angerechnet werden (Lektionenfaktor): In ihrer Vernehmlassungsvorlage hatte die Regierung eine Erhöhung von 58 auf 60 Stunden vorgeschlagen. Nach der Vernehmlassung ist davon nichts mehr übriggeblieben. Die Regierung nennt als Grund für ihr Zurückkrebsen Kritik an den Kosten dieser Massnahme. Mit anderen Worten: Die Qualität der Volksschule darf nichts kosten. Solange die Lehrpersonen brav (unbezahlte) Überzeit leisten, belässt man gerne alles beim Alten. Ein Lektionenfaktor von 60 Stunden wäre für den ZLV ein hinnehmbarer Kompromiss – gefordert sind von seiner Seite grundsätzlich weiterhin 62 Stunden.
     
  • Administrative Entlastung der Lehrpersonen: Die Regierung will die Lehrpersonen administrativ entlasten. Das ist zwar nicht verkehrt, was sie dabei aber vergisst: Die zeitliche Überlastung der Lehrpersonen resultiert nicht aus dem administrativen Bereich, sondern aus dem Anspruch auf einen individualisierten Unterricht. Die Massnahme bringt unter dem Strich daher kaum etwas.
     
  • Lehrpersonen in der Berufseinstiegsphase: Lehrpersonen, die in den Beruf einsteigen, sollen befristet einen etwas höheren Lektionenfaktor erhalten. Da die Überzeitproblematik alle Lehrpersonen betrifft, geht auch diese kleine Massnahme am Kern des Problems vorbei.
     
  • Minimaler Beschäftigungsgrad: Der minimale Beschäftigungsgrad soll von 35 auf 40 Prozent erhöht
    werden. Die Regierung spricht davon, sie wolle so dem zunehmenden Bedarf an Lehrpersonen gerecht werden. Wie diese Mini-Massnahme dies bewirken soll, wenn die Attraktivität des Lehrerberufs insgesamt mit Füssen getreten wird, bleibt das Geheimnis der Regierung.
     
  • Mehr Ressourcen für Schulleitungen: Die Schulleitungen erhalten 30 Prozent mehr zeitliche Ressourcen, weil sie zusätzliche Aufgaben übernommen hätten. Der ZLV fragt die Regierung: Weshalb ist dies bei den Schulleitungen möglich, bei den Lehrpersonen aber nicht? Die Lehrpersonen mussten im Verlauf der letzten Jahre ebenfalls viele neue Aufgaben übernehmen.

Eine weitere Forderung des ZLV war der Regierung nicht einmal eine Antwort wert. Kindergartenlehrpersonen erhalten heute für 100 Prozent Arbeit keinen vollen Lohn. Der Grund: die begleiteten Pausen, in denen die Lehrpersonen Betreuungsarbeit leisten, werden nicht zur Arbeitszeit gerechnet. Diese Ungerechtigkeit muss korrigiert werden.

Mit seinen rund 5000 Mitgliedern ist der ZLV die grösste Lehrpersonenorganisation im Kanton Zürich. Er weiss deshalb sehr genau, wo im Schulalltag der Schuh drückt. Die Regierung weiss es offenbar nicht oder sie nimmt die Situation nicht ernst. ZLV-Präsident Christian Hugi sagt: «Wir sind von den Vorschlägen der Regierung zutiefst enttäuscht. Einmal mehr geht das Finanzkalkül über die Qualität der Volksschule. Den Preis bezahlen werden am Ende die Schülerinnen und Schüler».

Lehrpersonenmangel: Die Regierung nimmt das Problem nicht ernst
Dem Kampf gegen den Lehrpersonenmangel erweist die Regierung damit einen Bärendienst. Dass dieser weiterhin aktuell ist, zeigen die neuesten Zahlen: Gestern Montag, 1 Woche vor den Sommerferien, waren in den Zürcher Schulen weiterhin über 200 Stellen unbesetzt, davon über 100 mit 50% oder mehr (rund die Hälfte davon Klassenlehrpersonenstellen). Dies sind nochmals etwas mehr offene Stellen als zur gleichen Zeit vor einem Jahr. Die regelmässigen Beschwichtigungen der Bildungsdirektion, die Zahl der offenen Stellen sei rückläufig, erweisen sich als falsch.

Parlament muss die Regierung korrigieren
Wie weiter? Der ZLV wird sich im nun folgenden parlamentarischen Prozess dafür einsetzen, dass doch noch ein wirksames Gesamtpaket entsteht. Dieses muss die zeitliche Belastung der Lehrpersonen deutlich reduzieren, den Lehrerberuf attraktiver machen und so einen effektiven Beitrag zum Kampf gegen den Lehrpersonenmangel leisten. Der ZLV fordert alle Institutionen des Schulfelds und die politischen Parteien auf, sich ebenfalls für die Qualität der Volksschule auszusprechen und den untauglichen Vorschlag der Regierung zu korrigieren.
 

Kontakt bei Rückfragen/Auskünften:
Christian Hugi, Präsident ZLV, christian.hugi@zlv.ch, +41 76 580 70 97

 

Datum

09.07.2024