Dani, kannst du uns das Anliegen kurz erläutern?
Grundsätzlich haben die Schülerinnen und Schüler heute zu viele Pflichtlektionen. Wenn die Schüler:innen von der 6. Klasse in die 1. Sek kommen, steigt ihre Lektionenzahl von 30 auf 35 pro Woche. In der 2. Sek sind es dann 34 Lektionen und in der 3. Sek mit Wahlfach bis zu 36 Lektionen. Das ergibt mit Hausaufgaben eine 40 bis 42 Stunden-Woche. Das ist einfach zu viel. Das war der Ausgangspunkt unserer Diskussion, die wir vor drei Jahren in der SekZH begannen. Die vorletzte Delegiertenversammlung gab dann dem Vorstand den Auftrag, diesbezüglich aktiv zu werden.
Vor zwei Wochen reichte Christoph Ziegler in Absprache mit mir einen konkreten Vorstoss – eine Motion – im Zürcher Kantonsrat ein. Er fordert, dass die Zahl der Pflichtlektionen um 5 Prozent gesenkt werden soll – und zwar auf der Sekundarstufe 2 Lektionen und auf Primarstufe 1-2 Lektionen. Die Zahl der Lektionen im Kindergarten bleibt gleich.
Christoph Ziegler schreibt in seiner Motion: «Schülerinnen und Schüler fühlen sich immer häufiger gestresst, ihr Tag ist durchgetaktet, Zeit für Erholung bleibt kaum. Psychische Probleme nehmen ein besorgniserregendes Ausmass an. Mit einer Reduktion von 1 bis 2 Lektionen pro Woche bekommen sie etwas Luft und mehr Zeit.» Das sehe ich genauso.
Die SekZH steht also hinter dem Anliegen. Und der ZLV?
Die SekZH steht voll hinter dem Anliegen. Im ZLV haben wir mit der Diskussion begonnen, im Verbandsrat und in der Geschäftsleitung. Beide Gremien sind sich einig, dass dieses Anliegen Potential besitzt. Weitere Diskussionen sind noch nötig.
Ich sehe schon den Streit: Welche Lektionen sollen denn gestrichen werden?
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in Zukunft mit Fächergruppen arbeiten. Bei den Fächergruppen würde man dann eine oder zwei Lektionen streichen. Heute ist der Stundenplan zu stark aufgefächert, eine «Entschlackung» der Lektionen ist nötig. Vor allem Einzellektionen bringen wenig, zum Beispiel die eine Stunde «Medien und Informatik» pro Woche. Wir unterrichten hier ein bisschen und dort ein bisschen und für alle Fächer müssen wir Prüfungen und Noten machen. Das ist ein grosser Aufwand.
Sicher kann man nicht einfach eine Stunde Mathe streichen. Bei Fächergruppen sollte das aber möglich sein. Seien wir ehrlich, das wird heute schon praktiziert. Es läuft an den Schulen viel ausserhalb des Fachunterrichtes. Da fallen dann Lektionen einfach weg, je nachdem, was an diesem Tag auf dem Stundenplan steht.
Was mir wichtig ist: Wir reden von Pflichtlektionen. Das betrifft beispielsweise nicht den Tagesschulbetrieb oder die Aufgabenstunden. Das wäre weiterhin möglich.
Ein weiterer Einwand: Weniger Lektionen erhöht den Stoffdruck auf die Schüler:innen und führt zu noch mehr Hausaufgaben. Was sagst du dazu?
Dazu sagen wir klar Nein. Unterrichtsqualität ist nicht einfach gleich Präsenzzeit. Mehr Unterricht bedeutet nicht mehr Lernerfolg. Lernerfolg ist von anderen Faktoren abhängig, wie beispielsweise von der Motivation oder der Qualität der Beziehung zwischen den Schüler:innen und der Lahrperson. In der Stadt Zürich beispielsweise diskutiert man darüber, ob die Schule nicht erst um acht Uhr beginnen soll. Viele Lehrpersonen sagen: Die Jugendlichen nehmen von acht bis neun viel mehr auf als von sieben bis acht. Wenn die Schüler:innen motivierter sind, präsenter, auch entspannter und wenn zusätzlich an der Unterrichtsqualität gearbeitet wird, dann haben wir kein Manko wegen ein bis zwei Lektionen weniger.
Was soll mit den freiwerdenden Mitteln geschehen?
Das ist auch Teil der Motion. Die Reduktion der Pflichtstundenzahl soll möglichst kostenneutral erfolgen. Die freiwerdenden Mittel sollen im System Schule verbleiben, zum Beispiel für die Anpassung des Berufsauftrags. Das Geld soll für die Unterrichtsvorbereitung und für die Klassenlehrpersonen verwendet werden – eben kostenneutral. Wenn man eine Lektion streicht, werden etwa 40 Millionen Franken frei, vermutlich sogar mehr. Die von uns vorgeschlagene Kürzung würde etwa 60 bis 80 Millionen Franken freisetzen. Das vermindert die Mehrkosten bei der Anpassung des Berufsauftrags beträchtlich.
Interview: Roland Schaller