Pädagog:innen – stark belastet und trotzdem treu: Zahlen zur Beschäftigungssituation von Lehrpersonen im Kanton Zürich

Bei Diskussionen über den anhaltenden Lehrpersonenmangel geht es oft um das Thema Berufsaussteiger:innen. Das hat die Bildungsdirektion des Kantons Zürich zum Anlass genommen, im Frühling 2024 die Beschäftigungssituation von Lehrkräften im Kanton Zürich zu untersuchen. Die Ergebnisse: Trotz immer anspruchsvolleren Arbeitsbedingungen bleiben Lehrpersonen ihrem Beruf treu – und reduzieren ihr Pensum, um nicht auszubrennen. Der ZLV sieht sich durch die Zahlen der Bildungsdirektion bestätigt.

Mehr Lernende und deutlich mehr Lehrpersonen


Die zugrundeliegenden Daten stammen aus den letzten sieben Jahren, also den Schuljahren 2016/17 bis 2023/24, und beziehen sich auf Lehrpersonen im Alter von 23 bis 54 Jahren. In diesem Zeitraum ist die Anzahl Schüler:innen um 13 Prozent angestiegen, die Anzahl Vollzeitstellen, sogenannte Vollzeiteinheiten, um 15 Prozent und die Anzahl Lehrpersonen um 18 Prozent. Dieser höhere Anstieg an Lehrkräften im Vergleich zu Lernenden lässt sich hauptsächlich mit dem Einsatz von Lehrpersonen mit tiefen Pensen und Veränderungen bei den Altersstrukturen und der Geschlechterverteilung der Lehrpersonen erklären.

 

Das durchschnittliche Pensum sinkt


Die durchschnittlichen Pensen von Lehrpersonen unterscheiden sich je nach Zyklus. Weil auf Primarschul- und Kindergartenstufe im Vergleich zur Sekundarstufe deutlich mehr Frauen arbeiten, ist das durchschnittliche Pensum in diesen Stufen tiefer. Über alle Lehrpersonen im Kanton Zürich hinweg zeigt sich, dass das durchschnittliche Pensum weiter gesunken ist: Während der durchschnittliche Beschäftigungsgrad im Schuljahr 2016/17 bei 71 % lag, sind es 7 Jahre später noch 69%.

Diese Entwicklung zeigt, was auch der ZLV seit Jahren feststellt: Viele Lehrpersonen arbeiten Teilzeit und reduzieren ihre Pensen, statt eine Qualitätseinbusse des Unterrichts in Kauf zu nehmen. So schützen sie sich davor, auszubrennen – denn aufgrund einer Fehlkonstruktion im Berufsauftrag leisten die Zürcher Lehrpersonen bis heute im Schnitt rund 300 Stunden Überzeit pro Jahr. Ein volles Pensum ist vor diesem Hintergrund kaum mehr leistbar.


Schon 2019 ergab eine vom LCH in Auftrag gegebene Studie, dass sich schweizweit jede fünfte Lehrperson konstant überlastet fühlt. Nicht zuletzt Klassenlehrpersonen sind besonders gefährdet, weil die im Berufsauftrag 100 angerechneten Stunden für eine Klassenlehrfunktion im Kanton Zürich den tatsächlichen Aufwand für zeitintensive Aufgaben wie Eltern- und Schülergespräche, Absprachen mit Fachpersonen, Klassenlager und Exkursionen, Klassenverwaltung und vielem mehr bei weitem nicht decken.

Der ZLV fordert deshalb eine Erhöhung im Berufsauftrag um 150 Stunden auf 250 Stunden. Zudem setzt sich der ZLV auf politischer Ebene dafür ein, dass für eine Jahreslektion  neu 62 Stunden angerechnet werden. Auf der Kindergartenstufe geht es zudem darum, dass die begleiteten Pausen ebenfalls angerechnet werden.


Lehrpersonen bleiben lange im Beruf


Die Untersuchung der Bildunsgdirektion zeigt auch, dass nach sieben Jahren immer noch rund 79 % aller Lehrkräfte im Kanton Zürich eine Anstellung an der Volksschule haben, wobei die Fluktuation je nach Gemeinde stark schwankt. Bei den rund 21 % aller Lehrpersonen, die 2016/17 im Kanton Zürich als Lehrperson arbeiteten und dem Kanton im Zeitraum der sieben Jahre den Rücken kehrten, ist nicht bekannt, ob sie in einem anderen Kanton eine Anstellung gesucht oder den Beruf gänzlich verlassen haben. Auffällig und besorgniserregend ist die Betrachtung nach Alter: Bei den jungen Lehrpersonen mit wenig Berufserfahrung liegt diese Zahl bei 31 % und damit rund 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt aller Lehrpersonen.   


Viele Pädagog:innen brennen nach wie vor für ihren Beruf


Die Bildungsdirektion wertet es als positiv, dass rund 80 % aller Lehrpersonen während des Auswertungszeitraums von sieben Jahren ihrem Beruf treu geblieben sind und vergleicht die Zahl mit Absolvent:innen einer Ausbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), wo nur 48 % aller Personen nach fünfeinhalb Jahren nach Abschluss noch den gelernten Beruf ausüben. 

 

Diese Zahlen sind aber schwierig miteinander zu vergleichen. Während ein Abschluss an einer pädagogischen Hochschule die Matura sowie ein mehrjähriges Studium bedingt und einen Abschluss auf Tertiärstufe mit sich bringt, bilden sich viele Lehrabgänger:innen nach der Lehre weiter, beginnen ein Studium oder wechseln in einen Beruf, für den es keine Lehrausbildung gibt. Gleichzeitig sind die Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrpersonen begrenzt – laut einer Studie der PH Schwyz mitunter ein Grund, wieso vor allem Männer bewusst nicht den Lehrerberuf wählen. 


Die Zahlen der Bildungsdirektion zeigen, dass die Zürcher Lehrpersonen nach wie vor eine hohe intrinsische Motivation mit sich bringen – trotz gestiegener Belastung, Überzeit, vermehrtem bürokratischem Aufwand und schwierigen Arbeitsbedingungen. Sie geben Tag für Tag ihr Bestes für die Bildung der Generation von morgen. Für den ZLV ist klar: Damit die Motivation so hoch bleibt, muss der Lehrerberuf wieder attraktiver gemacht werden. Regierung und Parlament müssen dazu endlich die strukturellen Fehler des Berufsauftrags korrigieren. Dies wäre gleichzeitig ein zentraler Schritt, um den Lehrpersonenmangel zu beheben.

Datum

16.04.2024